Lions Share - Kalibrieranfragen – wo Sie Geld verschenken und Leistung liegen lassen

Kalibrieren muss man halt – sagen viele. Also schnell ein Angebot eingeholt, irgendein „Standardumfang“ angefragt, fertig. Doch genau hier beginnt das Problem: Unklarheiten bei der Anfrage führen zu..

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...unnötigen Kosten, langen Rückfragen und am Ende zu Messungen, die gar nicht zur eigentlichen Anwendung passen.

Wir zeigen in diesem Beitrag, wie Sie bereits im Anfrageprozess echte Qualität sichern – und wo Unternehmen heute bares Geld und Leistung verschenken.


Kalibrierungen sind nicht einfach Routine – sie sind ein kritischer Bestandteil der Qualitätssicherung. Doch der Erfolg beginnt oft viel früher: mit der Anfrage. Was viele unterschätzen – oder schlicht überfordert – ist der Einfluss, den schon eine sauber formulierte Kalibrieranfrage auf den weiteren Verlauf hat. Denn hier werden entscheidende Weichen gestellt: für Qualität, Relevanz und Effizienz. Und leider auch für unnötige Kosten, Missverständnisse oder suboptimale Ergebnisse – wenn es an der richtigen Herangehensweise fehlt.

Die große Verwechslung: Kalibrierung ist kein Commodity

Im Alltag sind wir es gewohnt, Produkte wie Kaffee oder Klopapier nach Preis und Marke zu vergleichen. Solche Produkte nennt man Commodities: standardisierte Güter, die weitgehend identisch sind, egal von wem sie stammen.

Kaffee, Klopapier, Kalibrierung – ist doch eigentlich vergleichbar, nicht wahr? Man achtet eventuell auf eine Akkreditierung, überlegt sich, ob man ein Werksverfahren oder eines im akkreditierten Geltungsbereich benötigt, und achtet vielleicht noch darauf, ob da ein Verfahren angegeben wird, von dem man schon mal gehört hat. Das war´s, so einfach ist das, überall gleich.

Nein, eine Kalibrierung ist das genaue Gegenteil. Sie ist ein individueller technischer Messprozess – abhängig von Gerät, Anwendungsfall, Normenlage und Zielsetzung. Jedes Verfahren, jeder Messwert und jede Aussage basieren auf individuellen Randbedingungen, die verstanden und definiert werden müssen.

Warum Sie trotzdem nicht alles wissen müssen – und genau darin Ihr Recht liegt

Die meisten, die Kalibrierungen anfragen, sind keine Metrologie-Profis. Das müssen sie auch nicht sein. Ob Einkäufer:in, Techniker:in oder Qualitätsbeauftragte:r – oft fehlt der tiefere technische Überblick über Kalibrierverfahren, zugehörige Normen oder Begriffe wie „Entscheidungsregel“. ( Übrigens: Für Menschen mit Laborerfahrung ist das nicht anders, sobald sie eine Kalibrierung für eine andere, unbekannte Messgröße anfragen müssen. Irgendwann erwischt es uns und alle anderen da ganz genauso. ) Das ist kein Mangel, sondern der normale Ausgangspunkt.

Denn:

Die Pflicht zur Transparenz und Aufklärung liegt beim Kalibrierlabor – nicht bei Ihnen.


Diese Verantwortung ergibt sich aus:

  1. der DIN EN ISO/IEC 17025 – sie verpflichtet Labore, Anforderungen und Verfahren klar zu definieren,
  2. dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 241, 311 BGB) – das Prinzip der Aufklärung und Sorgfaltspflicht,
  3. dem Selbstverständnis jedes professionellen Dienstleisters: Kund:innen auf Augenhöhe informieren und befähigen.


Bei Lions Share sagen wir deshalb klar:

Sie dürfen (und sollen!) Fragen stellen. Die Befürchtung von „blöden Fragen“ werfen wir einfach mal direkt in den Mülleimer.

Wir sorgen dafür, dass Sie alles verstehen – oder erklären es, bis es verständlich ist.

Wen habe ich da eigentlich gegenüber?

Was trivial klingt, ist ein unterschätzter Schlüssel zum Erfolg: Wer bearbeitet Ihre Anfrage – und mit welchem Hintergrund?

Denn nicht immer sitzt auf der anderen Seite ein technischer Profi. Unsere Erfahrung zeigt: Anfragen landen oft bei Personen mit sehr unterschiedlichen Rollen und Wissensständen.


Hier ein kleiner Auszug realer Stellenbezeichnungen in der Signatur der Ansprechpartner:innen für bearbeitete Anfragen:

  1. Zentrales Anfragemanagement
  2. Auftragsmanagement/-abwicklung
  3. Vertriebsinnendienst
  4. Order processing
  5. Support-Team
  6. (Labor-) Techniker:in
  7. Laborleitung (selten, aber kommt tatsächlich vor)
  8. Sales Engineer


Unser Lieblingsbeispiel, der „Sales Engineer“. Wow! Klingt beeindruckend, ist aber kein geschützter Titel.

Was dahintersteckt, kann von fundierter Ingenieursexpertise bis hin zu reinem Marketing reichen. Ob man sich solche Titel erarbeitet oder einfach vergibt, bleibt jedem selbst überlassen – entscheidend ist, ob sie Orientierung bieten oder eher zur Verwirrung und Täuschung beitragen. Vielleicht ist es letztlich auch eine Frage von Stil, Anspruch und Verantwortung im Umgang mit Kunden. Oder wäre die Ergänzung zu dem was man im Labor selbst als die anzustrebende "gute fachliche Praxis" bezeichnet. Es liegt uns fern, jemandem persönlich die Kompetenz abzusprechen. Zugleich ist uns viel daran gelegen, Sie auf den lohnenden Blick hinter die glänzende Fassade hinzuweisen.


Unser Tipp: Bitten Sie aktiv um Klärung durch das technische Laborpersonal, wenn die Antworten ungenau, unklar oder zu allgemein bleiben oder schlichtweg ganz ausbleiben. Ihre Anfrage verdient fachliche Substanz – und Ihr Anliegen wird dadurch meist deutlich zielgenauer bearbeitet.

Was fordert die Norm DIN EN ISO/IEC 17025 von einem Labor?

Ein Kalibrierlabor muss laut dieser Norm sicherstellen:

  1. dass es Ihre Anforderungen angemessen festlegt, versteht und dokumentiert,
  2. dass es über die notwendigen Fähigkeiten und Mittel zur Umsetzung verfügt,
  3. dass es geeignete Verfahren auswählt, die für Ihren Fall angemessen sind, und Sie darüber informiert,
  4. und Sie aktiv informiert, falls ein (von Ihnen) vorgeschlagenes Vorgehen ungeeignet oder veraltet ist.


Außerdem: Wenn Sie eine Aussage zur Konformität (also z. B. "innerhalb/außerhalb der Toleranz") möchten, muss klar definiert sein, welche Toleranzen gelten – und wie Grenzfälle bewertet werden. Diese Details müssen mit Ihnen abgestimmt werden.

Fazit: Wenn Ihr Labor diese Punkte nicht adressiert, wird es seiner Verantwortung nicht gerecht.

So gehen Sie Ihre Anfrage strukturiert und wirkungsvoll an

1. Nutzen Sie eine strukturierte Vorlage

Das spart Zeit, erhöht die Klarheit und reduziert Rückfragen.

→ Auf unserer Website finden Sie vorbereitete Vorlagen für:

  1. Drehmoment-Kalibrierungen
  2. Drehwinkel-Kalibrierungen

2. Geben Sie den Anwendungsfall an

Beschreiben Sie, wie und wo das Gerät eingesetzt wird – oder wie Sie bisher vorgegangen sind. Auch wenn Sie den bisherigen Weg infrage stellen, ist das hilfreich für die richtige Einordnung.

3. Fragen Sie nach Varianten und Optionen

Ein gutes Labor erklärt Unterschiede und zeigt sinnvolle Alternativen auf – oder schließt diese nachvollziehbar aus.

4. Klären Sie Konformitätsaussagen vorab

Wenn Sie wissen möchten, ob Ihr Gerät innerhalb bestimmter Toleranzen liegt, muss das Labor mit Ihnen die Grenzwerte und Entscheidungsregeln für Grenzfälle abstimmen.

[Zu diesem Thema erscheint demnächst ein weiterer Beitrag in der SchraubSchrift.]

5. Verstehen Sie das Verfahren

Fragen Sie ruhig nach:

  1. Wie ist das Messverfahren (je Gerät) aufgebaut?
  2. Handelt es sich um das Standardverfahren, oder ein verkürztes, oder das ausführlichste Verfahren aus der zugrunde liegenden Norm?

(Kleiner Tipp: In einer Kalibriernorm kommen oft unterschiedlich ausführliche Varianten von Verfahren vor. Dieses sollte für Ihr Gerät tatsächlich angemessen sein. Niedrigstpreise bedeuten in der Regel auch, dass am Umfang des Verfahrens eingespart wird. Stellen Sie sicher, dass die Messung nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig umfangreich für Ihr Gerät und Ihren Einsatzzweck ist. )

  1. Warum ist dieses Verfahren geeignet und passt am besten zu meinem Gerät? Welche Messmittel („Normale“) werden eingesetzt?
  2. Welche Messrichtung wird umgesetzt bzw. werden beide Messrichtungen ("rechts" oder "cw" – im Uhrzeigersinn oder auch "clock wise" / "links" oder "ccw" – gegen den Uhrzeigersinn oder "counter clock wise") umgesetzt?
  3. Ist dieses Messmittel sauber auf ein nationales Normal rückgeführt und ist diese Rückführung von aktueller Gültigkeit?

(Kleiner Tipp: Lassen Sie sich das Kalibrierzertifikat dafür zeigen.)

  1. Wo ist später nachvollziehbar, welches Messmittel eingesetzt wurde?

(Kleiner Tipp: Das sollte immer auf dem Kalibrierzertifikat angegeben sein. Es ist ein verpflichtender Inhalt.)

6. Stellen Sie nach Bedarf technische Rückfragen

Zum Beispiel:

  1. Wie wird das Gerät adaptiert?
  2. Worin liegen Unterschiede zwischen Messaufbau im Labor und Ihrem Anwendungsfall?
  3. Welche Messgenauigkeit des Geräts ist tatsächlich zu erwarten?

Gerade bei Neugeräten oder veränderten Einsatzbedingungen lohnt sich der Dialog. Hersteller-Spezifikationen können manchmal auch uneindeutig oder irreführend sein.

[Zu diesem Thema erscheint demnächst ebenfalls ein weiterer Beitrag in der SchraubSchrift.]

Zusammenfassung – die 5 wichtigsten Punkte:

  1. Kalibrierung ist kein Standardprodukt – die Qualität beginnt mit der richtigen Anfrage.
  2. Sie müssen nicht alles wissen – aber ein gutes Labor muss alles verständlich erklären.
  3. Fragen Sie, wer Ihre Anfrage bearbeitet – und holen Sie bei Unsicherheit Fachleute hinzu.
  4. Nutzen Sie unsere Vorlagen – sie sparen Zeit und vermeiden Missverständnisse.
  5. Verlangen Sie Transparenz – bei Verfahren, Varianten, Konformitätsaussagen und Aufbau.

Unser Versprechen: Sie sind nie allein damit.

Bei Lions Share ist es unser Anspruch, technische Qualität für jeden zugänglich und verständlich zu machen. Ob Kalibrierprofi oder Erstanfragende – wir holen Sie dort ab, wo Sie stehen.

Rufen Sie uns an. Schreiben Sie uns. Oder versuchen Sie es gerne mit unseren Vorlagen und Hilfestellungen.

Wir sind bereit, wenn Sie es sind – und helfen Ihnen dabei, von Anfang an die beste Entscheidung zu treffen.

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Silvan Straßer

Silvan schreibt ausführlich – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Überzeugung. Für ihn ist es eine Frage der Höflichkeit, anderen die bestmögliche Grundlage für Entscheidungen zu liefern. Wer weniger Informationen braucht, kann einfach früher aufhören zu lesen oder exzerpieren. Die Reduktion komplexer Sachverhalte auf wenige "Bullet Points" empfindet er als trivialisierend. Die Welt ist selten einfach – oft kompliziert, manchmal komplex – und wer das anerkennt, kommuniziert nicht obsessiv verkürzt. Kurze Aussagen eignen sich nur für Selbstverständlichkeiten oder als Einstieg in Tieferes. Die gängige Erwartung von „maximal drei Infos in zehn Sekunden“ hält er für ein Symptom kollektiver Verflachung. Dagegen will er bewusst ein Zeichen setzen – nicht missionarisch, aber konsequent. Zum Glück gibt es den Blog als Ventil für seine Gedankenfülle. Und sein Team? Das bleibt dadurch etwas verschont – was wohl alle ganz gut so finden. ;-)

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